UkraineInteressierter hat geschrieben:
In der Regel war das aber der NKWD und nicht die Rote Armee selbst. Ich sage hier aber in der Regel, denn die Rote Armee war durchaus ebenso an Verbrechen beteiligt. Die Rote Armee war aber hauptsächlich eine reguläre Armee eines Staates, die UPA wurde aber als Untergrund- und Terrororganisation gegründet. Ihre Aktivitäten haben sich von der Gründung bis in die 1940er-Jahre hauptsächlich auf Morde, Sabotage, Anschläge etc beschränkt. Außerhalb der Westukraine war die UPA niemals eine Massenbewegung und wurde während des zweiten Weltkriegs von der Mehrheit der Ukrainer als Kollaborateure abgelehnt.
Ersetze "Terrororganisation" durch "Partisanenarmee". Mir ist klar, dass die Übergänge fließend sind. Aber gerade darum geht es mir auch - wer legt eigentlich fest, welches Vokabular gerade angemessen ist? Typischerweise tun das nach meiner Erfahrung die Sieger, nicht die, die das beste Verständnis der Geschichte haben
Die UPA war von vorn herein als militärische bzw. paramilitärische Organisation gegründet worden. Sie war als militärischer Arm der OUN gedacht, die für die von Dir genannten Terrorakte verantwortlich war. Ich empfehle Dir, zu diesem Thema Fachliteratur in die Hand zu nehmen. Neben den üblichen Quellen (Golczewski (Hg.) und Subtelny) bietet sich hier auch Franziska Bruder (Den ukrainischen Staat erkämpfen oder sterben!) an.
Ich habe das Gefühl, dass Du hier zwar eine feste Meinung hast, Dir aber einige Details fehlen.
In den 1920er-Jahren hatte sich die Lage in Galizien soweit beruhigt, dass sich die meisten Ukrainer mit der Zugehörigkeit zu Polen abgefunden hatten und Polen begann umgekehrt, Zugeständnisse zu machen. Dann begann die UPA mit gezielten Aktionen auf polnisches Eigentum, polnische Politiker, etc. Das tat man, um Polen zu harten Gegenreaktionen und Sanktionen zu bewegen - damit sich umgekehrt die ukrainische Bevölkerung wieder radikalisierte.
Das ist so nicht richtig. Zu dieser Zeit gab es die UPA noch nicht, sie wurde erst später gegründet. Weiterhin würde mich mal interessieren, wo das "abfinden" herkommt. Das deckt sich absolut nicht mit dem, was ich aus o.g. Quellen zu dem Thema in Erfahrung bringen konnte. Es gab unter den Ukrainern
auch gemäßigte Kräfte, doch der nationalistische Widerstand gegen den polnischen Staat wuchs über die gesamte Zeit zwischen den Weltkriegen kontinuierlich an, gleichzeitig wuchs auch seine Unterstützung in der Bevölkerung (wie gesagt, die OUN beschränkte sich eben nicht auf Terror).
In den 1940er-Jahren hat man dann Nazideutschland aktiv unterstützt, begann ethnische Säuberungen an Polen und sendete Freiwilligenbataillone für Nazideutschland aus. Darunter auch Bataillon "Nachtigall", das etwa an Judenerschießungen beteiligt war und zur Eliminierung von "roten" Partisanen in Weißrussland eingesetzt wurde.
Das ist in der allgemeinen Form auch nicht richtig. Es gab Freiwillige, die sich Wehrmachtsverbänden anschloss, allerdings diente das sehr häufig dazu, Waffen und Logistik für den Widerstand gegen die Rote Armee zu organisieren. Eine große Zahl der Kämpfer machte sich nach Erreichen dieses Ziels aus dem Staub, um sich wieder den UPA-Verbänden anzuschließen. Die UPA als Organisation beendete die Kooperation mit den Deutschen in dem Moment, wo deutlich wurde, dass Hitler nicht vorhatte, nach dem "Endsieg" die Ukraine in die Unabhängigkeit zu entlassen, ab diesem Punkt bekämpfte und beklaute man die Deutschen.
Die UPA war eindeutig eine brutale Terrororganisation, die deutlich mehr Menschen auf dem Gewissen hat, als etwa die baskische ETA oder die deutsche RAF. Mit so einer Organisation kann man nicht guten Gewissens sympathisieren, egal wie man es dreht und egal wie ihre Ziele aussahen.
Du hast hier ziemlich grundsätzlich Begrifflichkeiten und historische Abläufe durcheinandergebracht. Wenn Du Dich wirklich für diese Thematik interessierst (und nicht allein das Ziel, Deine politische Überzeugung zu beweisen im Vordergrund steht), dann solltest Du Dir zu dem Thema mal ein wenig Literatur besorgen. Das Buch von Franziska Bruder ist sehr UPA-kritisch, der Subtelny bemüht sich stark, das Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten, ich denke, die Kombination könnte hilfreich sein.
Auf weitere Punkte zur UPA gehe ich nicht erst ein, da Du hier von falschen Annahmen ausgehst bezüglich Deiner Meinung, die UPA sei eine "Terrororganisation" gewesen (ich unterscheide hier, wie es wohl allgemein üblich ist, zwischen einer Terrororganisation und einer Partisanenarmee, wohl wissend, dass Partisanenarmeen typischerweise auch für Verbrechen verantwortlich sind).
Ja, wie gesagt, die Rote Armee ebenso wie die Wehrmacht waren reguläre Armeen, zweifellos aber auch in schwere Verbrechen verwickelt. Ihre primäre Aufgabe war jedoch der Frontkampf, was bei der UPA nicht der Fall war. Dennoch sollte man keine dieser Organisationen verehren. Dass früher die Rote Armee so gefeiert wurde, lag wohl daran, dass jeder Staat, und sei es ein internationalistischer Vielvölkerstaat, eine Art nationalen Mythos braucht, mit dem sich die einfache Bevölkerung identifizieren kann. Und damals war das eben die siegreiche Rote Armee.
Nun, eine Glorifizierung der Wehrmacht leisten sich hierzulande höchstens mal Leute aus der ganz rechten Ecke. Für die Rote Armee sollen aber andere Maßstäbe gelten. Ich stelle fest, dass, wenn man sich bemüht, die Geschichte halbwegs objektiv zu lesen, eine gewisse Schieflage herrscht, wenn eine Verehrung der Roten Armee bei gleichzeitigem Ignorieren der Verbrechen, für die sie verantwortlich war, in Ordnung sein soll, aber eine Vererhung vergleichbarer Organisationen nicht. Ich hatte ja schon geschrieben, dass ich (a) das Bedürfnis der Menschen nach Heldenverehrung in gewisser Weise verstehe, mir da aber keine doppelten Standards wünsche und (b) ich mir eigentlich wünschen würde, wenn man statt Heldenverehrung mehr zu etwas wie - ich nenne es mal - "kritischer Würdigung" käme: Würdigung der Opfer und der Leistung einzelner, Kritik für das, was Kritik verdient. Aber das wird wohl lange noch ein frommer Wunsch bleiben...
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!