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Nadiya Medvedovska
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Lesja Ukrainka aktuell

Beitrag von Nadiya Medvedovska »

Ich habe dieses Gedicht aus der ukrainischen Kalssik noch 2004 ins Deutsche übersetzt, jetzt klingt es besonders aktuell.

LESJA UKRAINKA

Träume

In den lieben Kinderjahren,
Als die Seele so gedürstet
Nach dem Schönen, Wunderbaren,
Liebte ich die Ritterzeiten.

Aber seltsam, nicht die Prinzen,
So geheimnisvoll und prächtig,
Nicht die holden Königstöchter
Meinen Sinn bezaubert hatten.

Auf den Bildern sah ich immer
Nicht die frohen stolzen Sieger,
Die, den Gegner überwunden,
Zornig forderten: “Ergib dich!“

Sank jedoch mein Blick nach unten
Zum Besiegten und Verschmähten,
Der, gestreckt vom Feind zu Boden,
Bat ihn nicht um seine Gnade.

Schien mir niemals majestätisch
Jener starke stolze Ritter,
Der der Schönen Ungehorsam
Mit Gewalt zu brechen hoffte.

Nur berührte Herz die kühne
Antwort der gefang'nen Frau
„Deine Macht ist's, mich zu töten,
Aber nicht zu leben zwingen!“

Längst vergangen ist mein Fruehling,
Meine lieben Kinderjahre,
Aber nimmer wird vergessen
Hoher Schwung der Frühlingsfluten.

In den langen dunklen Nächten,
Wenn der Schlaf zu mir nicht kommet,
Höre oft ich deren Rauschen
Mit dem Fieber fest verflochten.

Hängt die Decke schräg herunter,
Wie ein gotisches Gewölbe,
An dem Fenster Blumenzweige
Glühen wie ein Eisengitter.

Durchgedrungen aus dem Fenster
Rötlich Licht im Zimmer schimmert, -
Ist es einfach Strassenleuchte
Oder Widerschein des Brandes?

Was da lärmt unaufhörlich?
Lästiges, verhasstes Schallen!
Braust mir im Blut das Fieber,
Oder tobt der Krieg da draußen?

Sind es grausame Schmerzen,
Die das Stöhnen mir entreissen ,
Oder stöhnt der Ritter Häftling,
Ganz erschöpft von seinen Wunden:

„Wer noch lebt in dieser Burge?
Wem noch schlägt das Herz im Busen?
Auf den Turm, beschwör dich, steige,
Schau an das Schlachtfeld unten!

Schau diese Schlacht genau –
Wer gerade siegt im Felde?
Dort, wo Kämpferreihen prallen,
Flattert da noch unsre Fahne?

Wenn nicht mehr – reiss ab die Binden!
Lass mein Blut da überfliessen,
Sei verflucht das Blut so faul,
Für die Ehre nicht vergossen!

... Nein, ich höre unsern Kampfruf!
Immer lauter erklingt er...
Lasst verbinden mir die Wunden,
Dass umsonst ich nicht verblute!..“

Spielten jemals Kindertraeume
Zwischen fiebrigen Gespenstern.
Jetzt verschwunden ist das Fieber,
Aber jene Träume bleiben.

Und so oft erscheint mir wieder,
Als gefangen sei ich selber,
Unsichtbare Hand gefesselt
Habe mich im dunklen Raum.

Ungebrochen meine Waffen
Seien in der Hand geblieben,
Aber wegen schwerer Ketten
Koenne ich die Hand nicht rühren.

Ringsherum ist dumpf und stille,
Tobt kein Fieber in den Adern,
Kein Geräusch vom Feld der Schlachten
Darf mit meinem Ohr ich hören.

Dass ich laut schreien wollte,
Wie der Kinderträume Ritter:
„Wer noch lebt in dieser Oede?
Schau hinab vom hohen Turme!

Schau, sieht man noch im Felde
Unsre stolze Fahne wehen?
Wenn nicht mehr – ich will nicht leben,
Lasst dann meine Adern öffnen,

Mag mein Blut dann überfliessen,
An der Blutung will ich sterben –
Sei verflucht das Blut so faul,
Nicht vergossen für die Ehre!..“

Jalta, 18/XI 1897

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