Kultur, Religion und GeschichteDer Geist des Nationalismus ist die Krücke, an der die Ukraine sich aufrichten muss

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Handrij
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Der Geist des Nationalismus ist die Krücke, an der die Ukraine sich aufrichten muss

Beitrag von Handrij »

Das historische Bewusstsein der Länder Osteuropas ist anders getaktet als dasjenige Westeuropas. Den Nationalismus, der heute so verpönt ist, konnten Ungarn, Polen und Tschechen im 20. Jahrhundert nicht ausleben. Besonders die Ukraine ist eine verspätete Nation – kein Wunder, vermag der Nationalismus hier zu mobilisieren.
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mbert
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Re: Der Geist des Nationalismus ist die Krücke, an der die Ukraine sich aufrichten muss

Beitrag von mbert »

Ich bin froh, dass es hier einmal einen Versuch gibt, diese Bewegungen und ihre Wurzeln für Nichtukrainer verständlich zu machen. Das ändert nichts daran, dass es geboten ist, den Bandera-Kult kritisch zu sehen, sollte aber wenigstens ein wenig gegen Schwarzweißdenken und Stereotypen helfen.
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!

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Handrij
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Re: Der Geist des Nationalismus ist die Krücke, an der die Ukraine sich aufrichten muss

Beitrag von Handrij »

An dem Text stören mich die üblichen kleinen Manipulationen. Beispielsweise hier:
Das Projekt hatte einen hohen Preis: Zwischen 1917 und 1920 kämpften auf dem Gebiet der heutigen Ukraine die Bolschewiki, die Weissen, die Ukrainer, die deutsche Armee und verschiedene aufständische Kräfte, wobei Grenzen und Koalitionen permanent wechselten.
Merke: ein Ukrainer kann weder Bolschewik noch zarentreu noch bei den "verschiedenen aufständischen Kräften" gewesen sein.
Während Banderas Anhänger vor den Verbrechen der OUN die Augen verschliessen, vergessen seine Gegner gern, dass der Partisanenführer während des ganzen Krieges in deutschen Gefängnissen und Lagern sass.
Der "ganze Krieg" dauerte demnach offenbar nur vom 5. Juli 1941 bis 25. September 1944 und trotzdem schaffte er es zum "Partisanenführer" zu werden, was irgendwie unterstellt, dass er mit der Waffe in der Hand in Wäldern rumsprang.

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Re: Der Geist des Nationalismus ist die Krücke, an der die Ukraine sich aufrichten muss

Beitrag von mbert »

Handrij hat geschrieben: Sonntag 24. März 2019, 13:37 An dem Text stören mich die üblichen kleinen Manipulationen. Beispielsweise hier:
Das Projekt hatte einen hohen Preis: Zwischen 1917 und 1920 kämpften auf dem Gebiet der heutigen Ukraine die Bolschewiki, die Weissen, die Ukrainer, die deutsche Armee und verschiedene aufständische Kräfte, wobei Grenzen und Koalitionen permanent wechselten.
Merke: ein Ukrainer kann weder Bolschewik noch zarentreu noch bei den "verschiedenen aufständischen Kräften" gewesen sein.
Kann man so verstehen, finde ich aber etwas spitzfindig, denn der Kontext ist eigentlich klar gesetzt:

»Zum ersten Mal versuchten die ukrainischen politischen und intellektuellen Eliten, ein souveränes politisches Subjekt zu schaffen und nicht nur einen Autonomiestatus im Rahmen anderer bestehender Staatsgebilde zu erlangen.
Das Projekt hatte einen hohen Preis: Zwischen 1917 und 1920 [...] «

Ich finde schon, dass aus diesem Zusammenhang deutlich wird, dass hier mit "die Ukrainer" die Anhänger einer ukrainischen Unabhängigkeit gemeint waren.

Wenn man dann noch die Zielgruppe betrachtet, vermute ich, würde das von denen wohl nicht einmal auffallen, eher überlesen werden.
Handrij hat geschrieben: Sonntag 24. März 2019, 13:37
Während Banderas Anhänger vor den Verbrechen der OUN die Augen verschliessen, vergessen seine Gegner gern, dass der Partisanenführer während des ganzen Krieges in deutschen Gefängnissen und Lagern sass.
Der "ganze Krieg" dauerte demnach offenbar nur vom 5. Juli 1941 bis 25. September 1944 und trotzdem schaffte er es zum "Partisanenführer" zu werden, was irgendwie unterstellt, dass er mit der Waffe in der Hand in Wäldern rumsprang.
Richtig, das ist ungenau. Allerdings ist der genannte Zeitraum schon richtig gewählt, da die Phase der Zusammenarbeit zwischen OUN und den Deutschen nach dem Einmarsch sowie die ethnischen Säuberungenin Wolhynien, was im wesentlichen das ausmacht, was man der OUN vorwirft, genau in die Zeit fiel, wo Bandera interniert war. Diese Tatsache ist übrigens für "beide Seiten" eher unbequem: die einen können ihm weniger vorwerfen, die anderen können ihm weniger "Heldentaten" zuschreiben.

An einer Stelle schummelt die Autorin freilich: die Zeit direkt nach dem deutschen Einmarsch, zu der Bandera noch nicht interniert war, war die, in der die Pogrome in der Westukraine stattfanden, bei denen sich OUN-Verbände vor Ort beteiligten. Bandera saß zu der Zeit in Krakau, und auch wenn es Stand heute wohl keinen Befehl zur Teilnahme an den Pogromen von "ganz oben" gegeben haben mag, ist schwer vorstellbar, dass er davon nichts gewusst haben sollte.

Andererseits finde ich die Formulierung » Während Banderas Anhänger vor den Verbrechen der OUN die Augen verschliessen, [...] « in diesem Kontext wichtig.

Fazit: zu kritisieren gibt es immer etwas. Aber was mir an dem Artikel gefällt, ist, dass hier die mentale Wagenburg des "was habt Ihr uns zu erklären, Ihr seid doch Ausländer" oder "wir Ukrainer haben ein Recht, uns unsere Helden selber auszusuchen" (was man eigentlich fast grundsätzlich zu hören bekommt, wenn man als Nichtukrainer den Bandera-Kult kritisiert), verlassen wird und stattdessen ein echter Versuch unternommen wird, den osteuropäischen (ukrainischen) Nationalismus und seine Geschichte für Ausländer verständlich zu machen.
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!

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Re: Der Geist des Nationalismus ist die Krücke, an der die Ukraine sich aufrichten muss

Beitrag von Handrij »

mbert hat geschrieben: Sonntag 24. März 2019, 15:08
Handrij hat geschrieben: Sonntag 24. März 2019, 13:37 An dem Text stören mich die üblichen kleinen Manipulationen. Beispielsweise hier:
Das Projekt hatte einen hohen Preis: Zwischen 1917 und 1920 kämpften auf dem Gebiet der heutigen Ukraine die Bolschewiki, die Weissen, die Ukrainer, die deutsche Armee und verschiedene aufständische Kräfte, wobei Grenzen und Koalitionen permanent wechselten.
Merke: ein Ukrainer kann weder Bolschewik noch zarentreu noch bei den "verschiedenen aufständischen Kräften" gewesen sein.
Kann man so verstehen, finde ich aber etwas spitzfindig, denn der Kontext ist eigentlich klar gesetzt:

»Zum ersten Mal versuchten die ukrainischen politischen und intellektuellen Eliten, ein souveränes politisches Subjekt zu schaffen und nicht nur einen Autonomiestatus im Rahmen anderer bestehender Staatsgebilde zu erlangen.
Das Projekt hatte einen hohen Preis: Zwischen 1917 und 1920 [...] «

Ich finde schon, dass aus diesem Zusammenhang deutlich wird, dass hier mit "die Ukrainer" die Anhänger einer ukrainischen Unabhängigkeit gemeint waren.
Ich hab den hiesigen Diskurs vor Augen, der inzwischen behauptet, dass die Bolschewiki russisch=ausländisch gewesen seien. Dabei werden solche Sachen bewusst unterschlagen wie die Niederschlagung des Januaraufstands 1918 hier in Kiew ausgehend von den Arsenal-Arbeitern vor dem Eintreffen der Roten Armee. Dagegen wird die zeitgleiche "Schlacht bei Kruty" zum nationalen Heiligtum umfunktioniert. Die Opferzahlen bei den Kämpfen und danach stattfindenden Hinrichtungen in Kiew waren um einiges höher ...
mbert hat geschrieben: Sonntag 24. März 2019, 15:08 Wenn man dann noch die Zielgruppe betrachtet, vermute ich, würde das von denen wohl nicht einmal auffallen, eher überlesen werden.
Darum geht es ja: Die Zielgruppe dahingehend zu manipulieren, um den hiesigen Diskurs vom ewigen Unabhängigkeitskampf "der Ukrainer" weiter "im Westen" voranzubringen. Finde, dass der Auftrag erfüllt wurde.

mbert hat geschrieben: Sonntag 24. März 2019, 15:08 An einer Stelle schummelt die Autorin freilich: die Zeit direkt nach dem deutschen Einmarsch, zu der Bandera noch nicht interniert war, war die, in der die Pogrome in der Westukraine stattfanden, bei denen sich OUN-Verbände vor Ort beteiligten. Bandera saß zu der Zeit in Krakau, und auch wenn es Stand heute wohl keinen Befehl zur Teilnahme an den Pogromen von "ganz oben" gegeben haben mag, ist schwer vorstellbar, dass er davon nichts gewusst haben sollte.

Andererseits finde ich die Formulierung » Während Banderas Anhänger vor den Verbrechen der OUN die Augen verschliessen, [...] « in diesem Kontext wichtig.

Fazit: zu kritisieren gibt es immer etwas. Aber was mir an dem Artikel gefällt, ist, dass hier die mentale Wagenburg des "was habt Ihr uns zu erklären, Ihr seid doch Ausländer" oder "wir Ukrainer haben ein Recht, uns unsere Helden selber auszusuchen" (was man eigentlich fast grundsätzlich zu hören bekommt, wenn man als Nichtukrainer den Bandera-Kult kritisiert), verlassen wird und stattdessen ein echter Versuch unternommen wird, den osteuropäischen (ukrainischen) Nationalismus und seine Geschichte für Ausländer verständlich zu machen.
Bei der Internierung Banderas ist die erklärungslose Verwendung des Begriffs des KZ auch immer etwas irreführend, da automatisch die Assoziierung mit den politischen und anderen Gefangenen oder gar den Insassen der Vernichtungslager entsteht, wobei Bandera da ja eher eine Art VIP-Häftling war, den man sich wohl für später aufheben wollte.

Der im Kontext eingeblendete Artikel von Portnow ist insgesamt wesentlich erhellender zur Gemengelage auf dem Gebiet der heutigen Ukraine vor 100 Jahren:
Für die Ukraine gab es vor 100 Jahren einen kurzen Augenblick der Unabhängigkeit
Das Ende des Ersten Weltkriegs 1918 brachte für weite Teile Europas den Sturz der alten Ordnung. Im Osten konstituierte sich auf den Trümmern des Habsburger Imperiums und des Zarenreiches eine ganze Staatenwelt neu. Darunter für kurze Zeit auch eine unabhängige Ukraine.
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