2015 jähren sich die Ereignisse der künstlichen Hungersnot, die 1932/1933 in der damaligen Sowjetunion stattfand und Millionen Opfer forderte, zum 82. Mal. Damals verhungerten auf dem Territorium der heutigen Ukraine 17 Leute pro Minute, 1020 jede Stunde, fast 25 000 jeden Tag. Anlässlich des Gedenktages an die Opfer der Hungersnot, welcher am 22. November begangen wird, führt der Ukrainische Kinoklub Berlin in Kooperation mit der Botschaft der Ukraine in der Bundesrepublik Deutschland den von Steven Spielberg mitproduzierten Film „The Living“ auf. Vor der Filmvorführung leitet einer der führenden ukrainischen Historiker Dr. Andrij Portnov in die Ereignisse von damals ein.
Historiker und Experten diskutieren bis heute die Ziele und die Art der Durchführung der Hungersnot 1932/1933. Eins ist jedoch unumstritten: der Hungersnot fielen 1932/1933 mehrere Millionen Menschen zum Opfer. Manche nennen die Ereignisse „Ethnozid“. Der amerikanische Professor Robert Conquest beschreibt beispielweise die damaligen Ereignisse wie folgt: "Hunger (…) sollte die ukrainische Bauernschaft als nationale Bastion zerstören. Die ukrainischen Bauern wurden zerstört nicht weil sie Bauern waren, sondern weil sie Ukrainer waren." Der deutsche Historiker Wilfried Jilge beschreibt die Ursachen der Hungersnot wie folgt: „Die Hungersnot hatte keine klimatischen Ursachen, sondern wurde u. a. durch eine brutale staatliche Getreiderequisition hervorgerufen, die den Bauern das zur Selbstversorgung notwendige Getreide entzog. Insofern liegt die Verantwortung für die Katastrophe zweifellos bei der sowjetischen Führung.“
Der Dokumentarfilm „The Living“ (2008, 73 min, Regisseur: Serhiy Bukovsky, Original mit englischen Untertiteln), der am 19.11. in den Räumlichkeiten der Ukrainischen Botschaft in Berlin gezeigt wird, ist eine einzigartige dokumentarische Erinnerung an die Hungersnot in der Ukraine. Der Film ist von einem der besten Dokumentarfilmschaffenden Osteuropas, Serhiy Bukovsky 2008 gedreht von Steven Spielberg mitproduziert worden und wurde ausgezeichnet. Der Regisseur schildert die damaligen Ereignisse in zwei Erzählungssträngen: der erste Strang erzählt die Geschichte eines Journalisten aus Großbritannien, der das Material recherchiert, das den künstlichen Charakter der Hungersnot aufdecken sollte. Der zweite Erzählungsstrang des Filmes ist eine jahrzehntelang stummgeschaltete Stimme, die Stimme des ukrainischen Volkes. Der Filmemacher hat wichtige Zeitzeugnisse gesammelt und lässt Überlebende der Hungersnot in diesem Film zu Wort kommen. Mit jedem gesprochenen Wort dieser Menschen, mit jeder Falte in ihren Gesichtern, die uns der Filmemacher auf fast zärtliche Weise zeigt, rollt sich vor uns eine große Geschichte auf, die zum Tod von Millionen Menschen 1932/1933 führte, von der Welt zwar mitangesehen aber leider nicht verhindert.
Ablauf des Programms:
- Grußwort des Botschafters der Ukraine Herrn Dr. Andrij Melnyk
- Historische Einführung durch Dr. Andrij Portnov (Leiter der Berlin-Brandenburg Ukrainian Initiative / Gastwissenschaftler an der Humboldt Universität zu Berlin)
- Filmvorführung “The Living”
- Empfang (bei einem Glass Wein)
Moderation: Oleksandra Bienert, Koordinatorin, Ukrainischer Kinoklub Berlin
Als Teil dieser Gedenkveranstaltung wird eine philosophische Serie zum Thema „Holodomor in der Ukraine 1932-33“ von einem berühmten ukrainischen Künstler, Oleg Radwan (Ausstellungskuratorinnen Lera Litwynowa und Leonora Janko sind anwesend) vorgestellt.