Wassermann3000 hat geschrieben:Das Auftauchen der Nazis im Osten hatte sicherlich in erster Linie seinen Grund in der vorübergehenden Perspektivlosigkeit vieler. Auffallend ist ja, daß sie genau dort stark wurden (und teilweise auch in der Bevölkerung stille Sympathien hatte), wo es wirtschaftlich sehr schlecht ging. Aber die geringere selbstkritische Auseinandersetzung mit dem Thema hat das begünstigt. Der Westen hat da später durchaus etwas aufgeholt.
Es mag zwar ein Herumreiten auf Details sein, aber korrekterweise sind es Neonazis, die seit der Nachkriegszeit auf pseudodemokratischen Veranstaltungen und Demonstrationen ihr Unwesen treiben.
Sonnenblume hat geschrieben:Die Entfernung der ehemaligen NSDAP-Mitglieder aus allen wichtigen Stellungen war Bestandteil dieser politischen und sozialen Neustrukturierung, die unter dem Schlagwort "Auseinandersetzung zwischen der Arbeiterklasse und der Monopolbourgeoisie" die SED als bestimmende Kraft durchsetzen sollte... "
Eben, Parteifunktionäre und Weltanschauung wurden rigoros ersetzt. Das zog aber beispielsweise nicht die Auseinandersetzung mit einer Wahlentscheidung nach sich. Höchstwahrscheinlich gab es sie in der Bevölkerung, aber es wurde oder durfte schlichtweg nicht praktiziert werden. Ebenso war der Austausch der Bürger untereinander über die wirkliche politische Meinung auf parlamentarischer Ebene nicht möglich.
Sollte ich die Menschen im Erzgebirge ganzheitlich zu Unrecht der Sympathie rechtsradikaler Propaganda bezichtigt haben, tut mir das Leid und ich ziehe es zurück. Und wenn der Aufarbeitungsverlauf in der DDR anders als behauptet effektiver vollzogen wurde als in der BRD, so muss man das berichtigen.
Aber es ging mir vordergründig auch um etwas anderes. Nämlich um die jahrzehntelange Unterdrückung der freien Parteien- und Meinungsbildung, die nach der Wende zu einer teilweise aufflammenden Radikalisierung öffentlicher Meinungstendenzen führte, um die vormals nicht zugelassenen Prozesse der Demokratisierung zu kompensieren. Mit einem Schlag waren etwaige Gruppierungen frei wählbar bzw. eine offene Äußerung zu den von ihnen vertretenen Vorstellungen möglich. Ähnliches ist nun für die Ukraine relevant, da die Loslösung von traditionellen Vorbestimmungsmustern nun endgültig stattzufinden scheint und sich ein Erstarken parlamentarisch-demokratischer Zustimmung in der Bevölkerung abzeichnet. Versäumen es die Politiker nicht, diesen Zuspruch aufzufangen und für konstruktive Verbesserungsoptionen zu nutzen, kann die Adaption demokratischer Grundstrukturen leichter gelingen.
Wassermann3000 hat geschrieben:Ich befürchte, daß auch in der Ukraine eben wegen der Perspektivlosigkeit die Anfälligkeit für extremistische Ideologien stärker ist. Die eine Möglichkeit, der Kommunismus, hat aus historischen Gründen eher eine geringe Chance. Der Islam vermute ich mal auch. Bleiben also rechte Phantasien übrig. Hinzu kommt der berechtigte Wunsch nach einem Nationalempfinden. Daraus kann dann ein gefährliches Gemisch entstehen.
Aus diesem Grund sollte parallel zu den momentanen Entwicklungen an diese Umstände gedacht werden, um Probleme diesbezüglich besser im Griff zu behalten.
Ich bin jedes Mal stolz, wenn es in D irgendwo eine Demo gegen rechts gibt und die Teilnehmer lautstark ihre Inakzeptanz kundgeben. Leider gibt es viele andere Strömungen in der Gesellschaft, gegen die auch vehement demonstriert werden sollte (Schönheitswahn, Prunksucht, Selbstverwirklichungszwang usw.).
Nebenbei sei angemerkt, auch in D gibt es meines Erachtens keine kommunistische Gefahr oder drohende Islamisierung.
München ist mit einem Ausländeranteil von ca. 20% und einem großen Teil davon orientalischer Herkunft sozusagen die Stadt des Halbmonds unter den deutschen Metropolen. Doch im Unterschied zu Berlin bemerkt man diese Konstellation gar nicht, wenn man durch die Innenstadt oder andere Stadtteile geht. Zumindest mir geht das so. Wenn in einem Medien-Beitrag über die schleichend ansteigende Terrorgefahr dann das Wort Salafisten vorkommt, hilft nur ausschalten oder weglegen. Selbst in vielen muslimischen Vereinen weiß niemand so recht wer diese Leute eigentlich sein sollen.
Im Ausland hingegen sieht es mit der Islamfreundlichkeit anders aus. In D undenkbar, aber in der Schweiz konnte man getrost über das Bauverbot von Minaretten abstimmen. Sicherlich ist die Toleranz religiöser Minderheiten in islamisch geprägten Ländern teils höchst unzureichend, aber man könnte in dieser Sache wie so oft mit gutem Beispiel voran gehen.