Nun, ich versuche mal, auf genau die Punkte einzugehen, die sich auf die Worte von Vater Swjatoslaw beziehen:
wikna hat geschrieben:Sich selbst zu sein, bedeutet für uns, Ukrainer, eine „ukrainische Welt“ zu bauen“
diese Verlautbarung abschließt
und damit ……….., ja…., es kommt nicht mehr…..
..........was einen Leser in einem anderen Land veranlasst,
[...]
den genannten Beitrag dieses Kirchenmannes in Vergleich mit einem Artikel eines anderen Kirchenmannes über dessen Vorstellungen einen Volks-Abgeordneten zu setzen,
der eine klare Ansprache von Gräben überbrückende Werten beinhaltet,
der mit seinen Aussagen alle Bevölkerungsschichten und Glaubenrichtungen anspricht,
die Aufforderung „hebe Deinen A…., benutze Dein Hirn“ deutlich zwischen den Zeilen spüren lässt,
in dieser Art von Verlautbarung eine allen in der Ukraine Lebenden eine „zivilgesellschaftliche Handlungsanleitung“ bietet, fast fordert,
was den besagten Leser sehr imponiert (ENDLICH RÜHRT SICH EINE KIRCHE)….
Nun, mit zweiterem wirst Du wohl Lyubomyr Husar gemeint haben und seinen
Text, den man in UN in deutscher Übersetzung finden kann.
Ich habe vor beiden, einen riesigen Respekt. Der erstere, Vater Swjatoslaw, ist aktuell Kopf der UGKK, Lyubomyr war es vor ihm.
Es ist häufig ein Privileg emeritierter Führungspersönlichkeiten, mehr "Klartext" zu reden als solche, die noch in der Verantwortung stehen.
Ich habe auch eine gewisse Sympathie vor dem Ausspruch "Endlich rührt sich eine Kirche", ABER: ich bin beispielsweise ein Kind der 70er und 80er Jahre und habe die "neue Theologie" in Deutschland voll mitbekommen (ich habe sie immer etwas ironisch "Brot-für-die-Welt-Theologie" genannt). In Deutschland gilt es als Pflicht der Kirche, zu "Missständen" Stellung zu beziehen, sich auch um die "praktischen" Dinge im Leben zu kümmern. Wusstet Ihr, dass unter Friedrich II Pastoren auf Anweisung des Herrschers hin von der Kanzel predigten, wie man Kartoffeln anbaut?
Während die protestantische Kirche in Mitteleuropa in der Tradition der Aufklärung steht (und dadurch jetzt, wo Aufklärung von allen Seiten kommt, mitunter ganz schön überflüssig geworden ist), war und ist die Ostkirche immer mehr der geistlichen Seite zugewandt. Eine Aufforderung "sich selbst" zu sein, gibt keine konkreten Anweisungen für praktische Probleme, aber sie gibt einen Hinweis auf eine
notwendige (aber natürlich nicht hinreichende) Voraussetzung für Änderungen in einigen von den Dingen, die Du zu Recht als fehlend/mangelhaft angeprangert hast. Dies ist ein
geistlicher (und freilich auch intellektueller) Blickwinkel, der genau so seinen Wert hat wie die etwas konkreteren Worte Lyubomir Husars.
Natürlich haben Swjatoslaws Worte auch eine politische Dimension. Seine Kirche war 50 Jahre lang verboten, und sie sieht sich einer von höchsten Stellen geförderten Expansion der Moskauer Kirche ausgesetzt, die nicht nur nach Ansicht der UGKK eben auch eine politische Dimension hat.
wikna hat geschrieben:
..............dieser besagte Leser denkt,
dass schon wieder eine Kirche sich in „selektivem Schweigen“ ergeht,
was er als Schwäche einer relativ mächtigen Institution ansieht,
die eine „moralische Institution“ in weitesten Sinne sein könnte (sollte),
besonders nach den Erfahrungen der Vergangenheit (siehe „Stellvertreter“, Rolf Hochhut),
also ein NICHT SCHWEIGEN ZU DEN EIGENTLICHEN PROBLEMEN,
nämlich all diese Bilder dieser kruden, krausen und grausligen Hintergrund-Gemengelage,
doch DIE CHANCE wäre, sowohl die Kirche als auch dieses relativ jung Land,
mit all seinen Problemen
DENNOCH EINEN RIESIGEN SCHRITT NACH VORN zu bringen,
[...]
sie ihm deshalb als ein seichtes, national-religiösen Fahrwasser des Populismus vorkommt,
was ihn ganz einfach zornig macht,
Ich habe angesichts der schieren Menge an Worten etwas Schwierigkeiten, einen Faden herauszuarbeiten, auf den ich eingehen kann, ich hoffe, ich habe durch das Kürzen des Zitats hier nicht das, was Du sagen wolltest, entstellt. Mir fallen dazu nun mehrere Dinge ein:
Jemand spricht davon, "sich selber" zu sein und setzt sich dem Vorwurf aus, zu den eigentlichen Problemen zu schweigen. Es gibt eine ganze Menge Leute, die als notwendige Voraussetzung, um etwas positives zu bewirken, notwendig ist, sich zu kennen. Daher finde ich die Aussage nicht überflüssig. MIch stört dieser latente Imperativ, man müsse sich zwingend zu Dingen äußern, die relevant (tm) sind. Hätte Wolfgang Borchert sein "draußen vor der Tür" geschrieben, wenn er sich auf das "relevante" (tm) konzentriert hätte? Die Liste lässt sich fortsetzen.
Dieser verbrämte Unsinn von einer "russischen Welt", sozusagen als spirituelle Mini-UNO aller Ostslawen, selbstverständlich angeführt durch Moskau, wird in der Ukraine u.a. von der Moskauer Kirche verbreitet. Das geht die UGKK an (die immerhin auch ganz konkret bereits Opfer dieser Ideologie war). Nun wagt jemand, diesen Begriff aufzugreifen, herauszustellen, dass dieses Konzept etwas aggressives bzw. expansives hat, und stellt ihm nun eine Art "Gegenkonzept" gegenüber, das "niemanden bedroht" und darauf basiert "sich selbst" zu sein, und er wagt es, dieses Konzept als "
ukrainische Welt" zu bezeichnen, und schon - reflexartig - wird ihm von intelligenten Menschen vorgeworfen, im "seichten, national-religiösen Fahrwasser des Populismus" zu fahren! Meine Güte, was hat der denn schlimmes gesagt, vielleicht gibt es verborgene Zeilen in dem Text, die alle außer mir sehen?
Dass ein aggressives Verhalten des großen Nachbarn keine Entschuldigung für eigene Passivität oder Unfähigkeit ist, seine Probleme zu lösen, liegt auf der Hand. Das kann aber auch kein Grund sein, dem Nachbarn nicht sagen zu dürfen, dass er sich bitte mal um seine eigenen Probleme kümmern soll (er hat schließlich selber eine ganze Reihe davon).
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!