Das ist eine sehr gewagte These. Man kann zwar davon ausgehen, dass das heutige Russland und die heutige Ukraine beide auf das Kyiver Reich zurückgehen, aber nach dessen Zerfall gab es eine längere sehr separate Entwicklung, die durch die unterschiedlichen slawischen Stämme der jeweiligen Staatsgebiete, aber vor allem durch die tartarische Herrschaft auf dem Gebiet der heutigen Ukraine bedingt war. Es entwickelten sich zwar verwandte, aber doch separate Sprachen, weiterhin - das ist fast noch signifikanter - sehr unterschiedliche Gesellschaften. Das war im Süden natürlich auch der Not geschuldet, da ein "normales" Herrschaftssystem wie in Polen aufgrund der militärischen und politischen Lage nicht in der Lage war sich zu etablieren. Die Unterschiede, die daraus resultierten, siehst Du aber noch heute - Ukrainer gehören zu den individualistischsten slawischen Stämmen, währen etwa die Russen eher klassische Kollektivisten sind (ich weiß, das sind grobe Stereotype, aber kramt doch mal in Euren Erfahrungsschätzen, ein wenig ist doch daran).
Ich habe ja nicht gesagt dass Russen und Ukrainer identisch sind. Es sind zwei verschiedene Volksgruppen, zwischen denen die Übergänge in manchen Regionen heute jedoch fast fließend sind, und die obendrein sehr große Gemeinsamkeiten haben. Von allen anderen Völkern stehen die Russen, gemeinsam mit den Weißrussen, den Ukrainern kulturell aber vermutlich am nächsten. Der gemeinsame Ursprung in der Kiewer Rus und die gemeinsame Sprachwurzel, das Altostslawische sind da nicht zu leugnen.
Mein Post war übrigens hauptsächlich als Antwort auf eurojosephs Beitrag gedacht. Und dessen Beitrag klang so, als seien Russen und Ukrainer völlig unterschiedlich, haben keine Gemeinsamkeiten und es gäbe nur zwei Möglichkeiten: Entweder demokratisches Europa und völlige Abkehr von Russland oder völlige Abwendung von Europa und böses Russland.
@galizier: Jetzt kommen wieder diese Diskussionen auf, wer besser/erfolgreicher/früher dran war. Ich habe nicht gesagt, dass Russen den Ukrainern irgendwie überlegen wären. Diese Diskussion ist immer doof. Ich könnte jetzt kontern und sagen: Schau, der wirtschaftliche Wohlstand in der heutigen Ukraine steigt proportional zum Anteil der Russischsprachigen (
Nur eingeloggte Mitglieder sehen alle Links ...). Aber das macht doch keinen Sinn.
Ich wollte mit meinem Post sagen, dass es große Ähnlichkeiten zwischen Ukrainern und Russen gibt - und zwar weitaus mehr als mit allen anderen westeuropäischen Ländern - was von vielen, besonders Westukrainern, gerne ausgespart wird. Vor Jahrhunderten war das ein gemeinsames Volk, das sich auseinanderentwickelt hat.
Es hilft meiner Meinung nach nichts, ewig auf der Vergangenheit herumzureiten. Natürlich haben sich "die Russen" gewaltiges zu schulden kommen lassen. Aber sonst müsste man sich in Deutschland, angesichts des Zweiten Weltkriegs, vor Scham fast schon umbringen, denn was sich Deutschland da binnen weniger Jahre geleistet hat, übertrifft alle Verbrechen der Sowjetunion noch bei weitem. Auch andere Länder haben beispielsweise im Zeitalter des Kolonialismus gewaltige Schuld auf sich geladen. Seien es die Briten in Nordamerika, die Spanier in Südamerika oder die Franzosen in Nordafrika (alleine im Unabhängigkeitskrieg Algeriens wurden 1,5 Millionen Algerier von den Franzosen ermordet). Japan hat im Zweiten Weltkrieg ebenso gewütet und von den USA möchte ich da gar nicht reden, deren Bilanz sieht seit 1945 ebenso erschreckend aus.
@Kolobok: Was soll ich dazu sagen? Dass in bestimmten Regionen bestimmten Sprachen die offizielle Anerkennung trotz des neuen Sprachgesetzes einfach verweigert wird, ist natürlich idiotisch. Dazu muss man jedoch hinzufügen, dass in Ismail die Bulgaren nur ganz knapp auf 10% Bevölkerungsanteil kommen. Viele von denen haben sich schon lange assimiliert und sprechen häufig kein Bulgarisch mehr - sondern Russisch. Ich war vor einigen Jahren in
Nur eingeloggte Mitglieder sehen alle Links ... in Transnistrien, das ist da ja auch recht in der Nähe. Laut Volkszählung sollen dort 80% der Bevölkerung Bulgaren sein. Ich bin da spazieren gegangen und habe mit ein paar jüngeren Leuten gesprochen, von denen keiner Bulgarisch sprechen konnte. Vermutlich verhält es sich mit den Bulgaren in Ismail bzw. in der Oblast Odessa sehr ähnlich.
Und um nochmal auf die Sprachfrage im Allgemeinen zurückzukommen: Die Wahlergebnisse sprechen doch jedes Mal Bände. Im Prinzip ist das Land, was die politischen Vorlieben angeht, geteilt. In fast allen, mehrheitlich russischsprachigen Regionen dominieren die PR und neuerdings auch wieder die Kommunisten ganz klar. Und das sind genau die Parteien, die eine Aufwertung des Russischen in ihrem Programm haben.
Ich bin selbst "halber" Ukrainer (der Rest ist "deutsch") und habe zeitweise in Dnepropetrowsk gelebt. Meine (ukrainische) Familie ist russophon, auch wenn eigentlich auch alle Ukrainisch sprechen können.
Ich (und sehr, sehr viele andere Menschen in der Region) hatte(n) immer den Eindruck, die Orangenen wollen das Land ukrainisieren, und es hat ja zwischen 2004 und 2010 auch eine massive Ukrainisierung des öffentlichen Lebens gegeben, was diese Ängste bestätigt hat. Ja, es halten tatsächlich viele Russischsprachige in der Ukraine ihre Rechte für bedroht. Mein Neffe muss zwangsweise auf eine ukrainischsprachige Schule gehen, weil die nächste russischsprachige Schule zu weit weg ist. Und in seiner Klasse sind fast alles Kinder aus russischsprachigen Familien. Und dann werden, obwohl eh schon 80% der Schulen in der Oblast auf Ukrainisch unterrichten, immer noch weitere Schulen auf Ukrainisch umgestellt. Das führt zur berechtigten Angst, dass bestimmte politische Parteien die russische Sprache aus der Ukraine verdrängen möchten (auch wenn es aus deren Sicht nur ein "zurückdrängen" ist). Der einzige Grund warum 2010 und 2012 aus dem ukrainischen Teil meiner Familie wirklich geschlossen jeder die PR gewählt hat, ist deren Sprachpolitik (und deren Haltung zur NATO, ok...). Gäbe es eine echt demokratische Alternative zur PR, deren Sprachpolitik einigermaßen freundlich gegenüber der Russischen Sprache ist - ich bin mir sicher die würden die PR schnell als stärkste Kraft in der Ostukraine ablösen.