Mit "die Kosaken" bezog ich mich in meinem Kommentar auf das Nur eingeloggte Mitglieder sehen alle Links ..., also die Staatsform, die von Kosaken gegründet vom 16. Jh. bis zum Anschluss an das Moskauer Reich im 17. Jh. existierte. Diese Abgrenzung hatte ich in meinem o.g. Kommentar nicht deutlich gemacht, daher hole ich das hiermit noch einmal explizit nach.... wie die Kosaken sich gegen Angriffe von Polen, Tartaren und Türken wehrten und gleichzeitig ein modernes Staatswesen und eine für damalige Zeit sehr egalitäre Gesellschaft aufbauten, aus der dann im letzten Jahrhundert die unabhängige Ukraine hervorging
Um herauszufinden, ob das, was ich da oben geschrieben habe, nun vollkommen, zum Teil oder überhaupt nicht stimmt, kommt man kaum umhin, sich mal die einschlägigen Werke zur Geschichte vorzunehmen. Leider sind die Ausführungen auf Wikipedia je nach Sprache (denn: Wikipedia-Artikel werden in jeder Sprache vollkommen unabhängig gepflegt, es handelt sich also keineswegs automatisch um Übersetzungen irgendeines "Originals") von sehr unterschiedlicher Qualität und oft ziemlich unvollständig. Wie ich schon oft geschrieben habe, finde ich als Lektüre und Nachschlagwerk die Bücher von Frank Golczewski (Hg.) - Nur eingeloggte Mitglieder sehen alle Links ... sowie Orest Subtelny - Nur eingeloggte Mitglieder sehen alle Links ... (in englischer Sprache) sehr empfehlenswert.
Ich habe mal geschaut, was ich an Fragmenten zu dem Thema im freien Internet so finden konnte. Im englischsprachigen Wikipedia fand ich zum Thema "Bildung" etwa folgendes (Nur eingeloggte Mitglieder sehen alle Links ...):
Im selben Kontext ist auch der Beitrag zur Kyiver Mohyla-Akademie von Interesse (Nur eingeloggte Mitglieder sehen alle Links ...):Visitors from abroad commented on the high level of literacy, even among commoners, in the Hetmanate. There was a higher number of elementary schools per population in the Hetmanate than in either neighboring Muscovy or Poland. In the 1740s, of 1,099 settlements within seven regimental districts, as many as 866 had primary schools. The German vistitor to the Hetmanate, writing in 1720, commented on how the son of Hetman Danylo Apostol, who had never left Ukraine, was fluent in the Latin, Italian, French, German, Polish and Russian languages Under Mazepa, the Kiev collegium was transformed into an Academy and attracted some of the leading scholars of the Orthodox world. It was the largest educational institution in lands ruled by Moscow. Mazepa established another Collegium in Chernihiv. These schools largely used the Polish and Latin languages and provided a classic western education to their students. Many of those trained in Kiev, such as Feofan Prokopovich would later move to Moscow, so that Ivan Mazepa's patronage not only raised the level of culture in Ukraine but also in Moscow itself. A musical academy was established in 1737 in the Hetmanate's then-capital of Hlukhiv. Among its graduates were Maksym Berezovsky, the first composer from the Russian Empire to be recognized in Europe, and Dmitry Bortniansky.
In addition to traditional printing presses in Kiev, new printing shops were established in Novhorod-Siverskyi and Chernihiv. Most of the books published were religious in nature, such as the Peternik, a book about the lives of the monks of the Kiev-Pechersk monasatary. Books on local history were compiled. In a book written by Inokentiy Gizel in 1674, the theory that Moscow was the heir of ancient Kiev was developed and elaborated for the first time
The predecessor of NaUKMA – The National University of Kyiv-Mohyla Academy – is one of the oldest academic and theological schools among Orthodox Christian East European countries. The Academy was first opened in 1615 as the school of the Kyiv bratstvo ("brotherhood"). In 1632 the Kiev Pechersk Lavra school and Kiev Brotherhood School merged into the Kyiv-Mohyla Collegium (Latin: Collegium Kiyovense Mohileanum). The Collegium was named Mohylyans'kiy (as of Mohyla after Petro Mohyla), the proponent of Western educational standards at the institution. In 1658 under the terms of the Treaty of Hadiach the Collegium obtained the status of an Academy, similar to Kraków Academy (Poland), and in 1694 was recognized as an Academy by the Russian Tzar Ivan V of Russia, then in 1701 reaffirmed by Tzar Peter I of Russia (Peter the Great).
The Academy educated Ukrainian political and intellectual elite in the 17th and 18th centuries, and it was highly acclaimed throughout Eastern Europe with the students from Poland, Russia, Belarus, Moldavia, Serbia, Bulgaria and Greece. The admissions were open to all social classes. Due to the exceptional quality of the language program its students often continued their education abroad, which at the time required many of them to convert their religion from the Orthodox Christian to a Roman Catholicism. However, upon their return to Ukraine, they were turning back to their Orthodox roots, which also was necessary in order to attain positions in the clergy or Academia. By keep sending the students abroad for education the Kyiv-Mohyla Academy played a very important role in obtaining from Western Europe the knowelege of the Renaissance and adopting it by Ukraine and Russia. The Kyiv-Mohyla Academy also supported a number of other colleges built on its model, such as the Vasilian College in Moldova (Moldavia).
Die Mohyla-Akademie war die erste Institution dieser Art in Osteuropa. Auch nach dem Anschluss an das Muscoviter Reich war sie lange Zeit führend. Bei Subtelny kann man eine ganze Reihe von Fakten lesen, die die außerordentliche Stellung, die dieses Institut hatte, belegen, ich kann das hier aber in der Kürze der Zeit nicht wiedergeben.
Interessant ist auch die Rolle der Frauen im Hetmanat (Nur eingeloggte Mitglieder sehen alle Links ...):
The feminism and female dominance were the features of Cossack lifestyle because of either absence at homes for a long time or war deaths and wounds of male Cossacks. As Sergei Korolev's mother from a well-known Cossack leader family used to joke, male Cossacks could be family leaders in the outer space only. All of the above caused them to be a part of a stereotypical portrayal of the Russian Empire both abroad and domestically.
Dieser Abschnitt bezieht sich auf das späte 19. Jh., also schon nach dem Beitritt Khmelnytskys zu den Muscovitern. Eine Aussage, die ich hierdurch nicht direkt belegen kann (hat da mal jemand eine Quelle?) ist die, dass es aus den hier genannten Gründen üblich war, dass Frauen lesen und schreiben konnten. Dies entsprang der Notwendigkeit, sich um die Familien-Geschäfte zu kümmern, wärend die Männer oft für lange nicht da waren.
Was ist nun der Zusammenhang der modernen Ukraine mit dem Hetmanat?
Ich habe für die folgenden Abschnitte keine wortwörtlichen Zitate, da ich derartige Quellen im frei verfügbaren Internet leider nicht gefunden habe. Größtenteils habe ich hier aus dem Subtelny extrahiert, vor allem aus Abschnitt 12 ("Russian and Austrian Imperial Rule in Ukraine"):
Es gibt einige Aspekte, die praktisch auf der Hand liegen - Bis zum 19. Jh., also bevor Zuwanderungen im wirklich großen Stil begannen, konnte man die Bewohner des heutigen Staatsgebiets der Ukraine als Nachkommen derer betrachten, die dort auch schon 300 Jahre vorhher gelebt hatten. Das macht sich z.B. in der Sprache, aber auch in Sitten, Gebräuchen und Eigenheiten der Mentalität der Menschen bemerkbar (ich weiß, russische Patrioten bemühen sich traditionell, genau diese Aspekte zu relativieren und die Verwandtschaft zum "großrussischen" Volk zu betonen, ich will darauf hier aber nicht weiter eingehen, darüber können wir uns gern woanders streiten).
Das Konzept der modernen Ukraine hat wie auch das anderer Staaten seinen Ursprung im späten 18. bzw. frühen 19. Jahrhundert, wo die Frage nach der eigenen Identität und der Selbstbestimmung in der Intelligenzia an Bedeutung gewann. Subtelny berichtet von einem wachsenden Interesse an der Geschichte unter und Publikationen von Angehörigen der Intelligenzia und gehobener Gesellschaftsschichten in der Nur eingeloggte Mitglieder sehen alle Links ... im späten 18. Jh., hier werden u.a. Vasyl Ruban, Opanas Shanofsky, Oleksander Riegelman und Iakiv Markovych genannt. Im 19. Jh. intensivierte sich dieses Interesse. Es entwickelte sich parallel zu den Nationalbewegungen in anderen europäischen Ländern im 19. Jh. auch eine ukrainische Nationalbewegung, die sich historisch-kulturell auf das Hetmanat berief und ausgehend von den Prinzipien Demokratie, Egaliät und Freiheit eine ukrainische Unabhängigkeit anstrebte. Übrigens wurde in diesem Zusammenhang der ukrainischen Sprache ganz explizit die Rolle eines wesentlichen verbindenden Elements zugeschrieben. Taras Shevchenko kam da relativ spät hinzu, intellektuelle Vorarbeit hatten schon einige vor ihm geleistet.
In der zum Habsburger Reich gehörenden Westukraine hatten Ukrainer mehr Möglichkeiten zu einer kulturellen Selbstbestimmung, vor allem nach den Reformen Josephs II, gleichzeitig befanden sie sich aber in Konkurrenz mit den Polen, die selber nach Unabhängigkeit strebten und dabei gleichzeitig Anspruch auf die größtenteils von Ukrainern (oder damals genannt: Ruthenen) bewohnten Gebiete erhoben. Die Nationalbewegung in der Westukraine war im Vergleich zum zu Russland gehörigen Teil mehr pragmatisch und weniger romantisch geprägt, man bemühte sich, mit den begrenzten zur Verfügung stehenden Mitteln die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern und gleichzeitig eine nationale Identität zu fördern - dabei entstanden Bildungseinrichtungen genau so wie landwirtschaftliche Genossenschaften etc. Einer der Vordenker auf westukrainischer Seite war Nur eingeloggte Mitglieder sehen alle Links ..., der wesentlich bei der Errichtung des ukrainischen Bildungswesens in der habsburgischen Ukraine des 19. Jh. beteiligt war und wurde später der erste Präsident der Nur eingeloggte Mitglieder sehen alle Links ..., die in den letzten Jahren des 1. WK für eine kurze Zeit existierte.
Als Anfang des 20. Jh. die beiden ukrainischen Nationalbewegungen erstmals gemeinsam an der Errichtung des lange ersehnen ukrainischen Staats arbeiteten, war das Verständnis eines gemeinsamen Ursprungs, nämlich vom Rus über das Hetmanat bis schließlich zur unabhängigen Ukraine eine Art ideelle Grundlage. Man mag das, wenn man durch die postsowjetische Ukraine wandert, als sehr weit weg empfinden, aber tatsächlich spielte die "Kosakische Identität" eine wichtige Rolle in dem, was man bei der Gründung des ukrainischen Staats 1990 als Basis betrachtete.
Meine kleine Zusammenfassung hier ist natürlich unvollständig, ich möchte aber doch vermuten, dass noch mehr hier den Rahmen sprengen würde - ich kann die Lektüre von Geschichtsliteratur hier nur empfehlen, die ist spannender als das Zeug aus den Spiegel-Bestseller-Listen
Fazit: Man kann sich über Idealismus immer trefflich streiten: ist er nötig oder überflüssig, oder sogar schädlich? Ich denke aber, dass es relativ unstrittig ist, dass ohne diesen Idealismus und ohne das, was sich die Menschen im 18. und 19. Jh. zu diesem Thema an Überlegungen angestellt haben, das ukrainische Volk heute wohl noch immer auf verschiedene Staaten verteilt, sprachlich und kulturell wohl noch weiter voneinander als jetzt getrennt wären. Ich glaube daher, dass die Aussage, dass aus dem Hetmanat "dann im letzten Jahrhundert die unabhängige Ukraine hervorging", egal, ob es nun einigen von uns nicht gefällt, korrekt ist.
Nun bin ich gespannt. Bitte korrigiert/widerlegt mich, wo es nötig ist