stefko hat geschrieben:Handrij hat geschrieben:
Wie lange, zwei Tage? 24h?
Sorry, ich nehme Ihnen nicht ab, dass Sie es nicht besser wissen. Sie geben sich doch sonst in Sachen ukrainischer Geschichte sehr bewandert.
Ok, die Vereinigung war am 22.01.1919 und wird jedes Jahr in der Ukraine als Tag der "Einheit" gefeiert. Doch bereits ein oder zwei Wochen später war die Rote Armee in Kiew, die zwar im September wieder gehen musste, doch nicht für lange. Was Juschtschenko nicht müde wurde zu betonen war, dass die Ukraine im 20. Jahrhundert fünfmal ihre Unabhängigkeit erklärt hat und viermal wieder verlor. Was er dabei nicht erwähnte war, dass mindestens zwei dieser Unabhängigkeitserklärungen keine 24h Bestand hatten (Karpatoukraine 1939 und Lwiw 1941). Die Vereinigung der Westukrainischen Volksrepublik und der Ukrainischen Volksrepublik am 22. Januar 1918 hat ein ähnliches Ende gefunden. Sie hatte letztendlich keine praktische Relevanz ....
stefko hat geschrieben:
Handrij hat geschrieben:
So klar wie das jetzt von einigen dargestellt wird, war das doch alles nicht
Ich gebe Ihnen recht, dass es nicht so klar war. Ich denke nur daran, dass die Zentralna Rada ursprünglich nur eine größere Autonomie innerhalb Rußlands anstrebte. Aber es war eine turbulente Zeit ...
Ja, Hruschewskyj ist dann auch später wieder in die UdSSR zurückgekehrt, wo er auch starb, auch wenn das Leben für ihn dort nicht leicht war ....
stefko hat geschrieben:
Handrij hat geschrieben:
und ich bezweifle weiterhin stark, dass im Jahre 1918 die Bevölkerung der heutigen Ukraine den Ideen einiger Intellektueller und Militärs von einem Staat Ukraine und der staatlichen Unabhängigkeit folgen konnte. Für die meisten war doch schon mit dem Verschwinden des Zaren eine Welt weg und was an deren Stelle tritt war nicht klar.
Nur übersehen Sie, dass die ukrainische Nationalbewegung größten Teils wohl eher "links" war. Skoropadskyj mag eine Ausnahme gewesen sein. Es ging immer auch um die Emanzipation der ukrainischen Bauern gegenüber den Landbesitzern.
Nun es waren aus heutiger Sicht wohl Sozialdemokraten. Damit standen sie den Bolschewiki im Wege. Die wollten die Welt aus den Angeln heben und schufen nur eine neue, härte Variante der nachholenden Modernisierung.
stefko hat geschrieben:
Sie wissen ja gar nicht was "nationalbewusste Exilukrainer" nagt. Den Sieg der Bolschewiken könnte man ja noch verzeihen. Das passt ja ins Geschichtsbild. Ich lasse Sie jetzt raten was wirklich einen "nationalbewussten Exilukrainer" nagt - und Sie eigentlich auch nagen müsste, weil es auch nicht in Ihr Bild passen kann.
Na, an erster Stelle sollte ja wohl die Sehnsucht nach der alten gewohnten Umgebung stehen ...
stefko hat geschrieben:
Handrij hat geschrieben:
stefko hat geschrieben:
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass unter anderem Stalin in der Ukraine das Kommando hatte. Der Historiker Hrytsak hat dazu gemeint, dass aus dieser Zeit Stalins Abneigung gegen alles ukrainische stammte.
hm, das klingt interessant. Kannst du vielleicht die direkte Quelle bringen oder zumindest ungefähr sagen, wo Hryzak das geschrieben hat? Ich schätze Hryzak als einen wirklich an den Tatsachen interessierten Historiker.
Das kann ich leider nicht, ich habe es bei einem seiner Vorträge gehört. Ich schätze Hrytsak auch sehr. Er hat wirklich sehr viel interessantes zu sagen.
Hm, schade, ich werd´ mal recherchieren. Andererseits passt es nicht in das Bild der Behandlung der Kasachen, siehe vorheriger Post.
stefko hat geschrieben:
Ich habe mich nicht allzu viel mit Makhno befasst. Meines Wissens wurde aber die Zeitung seiner Bewegung auch auf Ukrainisch veröffentlicht, was durchaus auch ein politisches Statement war. Das macht ihn natürlich nicht zu einem Nationalisten, aber es ist ein durchaus interessanter Aspekt.
ok, Zeitungen wurden in ukrainisch gedruckt und in allen Sprachen der Minderheiten, doch auch die Bolschewiki haben spätestens in den 20ern eine Ukrainisierung betrieben. Russisch war sogar verboten! Wie ordnen wir das jetzt ein??
stefko hat geschrieben:
Im übrigen würde mich interessieren, wie Sie zu den Massakern durch seine Bewegung stehen (z.B. gegen die pazifistischen Mennoniten, bei den Judenprogromen streitet man sich ja wer verantwortlich ist). Verurteilen Sie die Makhno Bewegung dafür genauso wie OUN/UPA und ihn wie Bandera? Oder leugnen Sie einfach diese Verbrechen. Vielleicht stellen Sie sie auch als Collateral Damage dar, was sie natürlich viel besser macht.
Das wäre mir neu, dass die Machnowzy Massaker an den Mennoniten durchgeführt hatten. Quelle? Laut eigener Aussage wurden Leute die Pogrome durchgeführt haben, sofort erschossen. Die Hauptquelle für die Machnobewegung im deutschsprachigen Raum ist das Buch von Pjotr Arschinow aus dem Jahre 1923. Sollte es gebraucht geben (eurobuch.com). Ein wenig naiv wie alle anarchistische Literatur, aber mit vielen Fakten ....
stefko hat geschrieben:
Nein, es geht mir nicht um Rechtfertigung. Aber wenn man verstehen will, wie sich die Geschichte entwickelte, dann ist auch das ein wichtiger Aspekt. Im übrigen soll es auch Polen geben, die meinen, dass man die Ereignisse in Galizien und Volhynien im Zusammenhang mit der Eroberung Galizien und Volhyniens 1919 sehen muss. Siehe z.B. den Historiker und ehemaligen polnischen Botschafter Maciej Kozłowski.
ok, zur Einordnung ja. Relativierung nein ...
stefko hat geschrieben:
Ich habe gar nicht gewußt, dass sie auch ein Demograph sind. Aber leider ein schlechter. Sonst wäre Ihnen vielleicht aufgefallen, dass man mit den Daten der von Ihnen genannten Seiten sehr wohl auch argumentieren kann, dass ein Genozid am ukrainischen Volk stattgefunden hat. Man braucht dazu nicht einmal annehmen, dass Statistiken gefälscht wurden (ein Fakt das übrigens erwiesen ist). Falls Sie Hilfe bei der Analyse der Daten brauchen, lassen Sie es mich wissen. Ich bin zwar kein Experte für Demographie und habe keine komplizierten Modelle zur Bevölkerungsentwicklung, aber dieses Kunststück bringe sogar ich zusammen.
Ok, bitte, gern.
Sicherlich sind in den Daten Beschönigungen drin. Doch nur zwei Fragen:
Wieso wurde der Bevölkerungsrückgang nicht verschleiert?
Wieso wurde in den Vergleichswerten zu den Kasachen nicht verschleiert, dass deren Bevölkerungszahl sich wohl fast halbiert(!) hat, wenn wir unterstellen, dass es zwischen 1933 und 1939 wohl einen gewissen Bevölkerungszuwachs gegeben hat. Passt das etwa nicht in Ihr ukrainonationales Weltbild? Ich versuche mir ein Gesamtbild von den Vorgängen in der UdSSR in dieser Zeit zu machen und bin nicht nur auf die Ukraine fixiert.
stefko hat geschrieben:
Im übrigen halte ich Ihre Aussagen für ausgesprochen zynisch und menschenverachtend. Stalin war der Ansicht, dass die Bauern die Träger des Nationalbewusstsein sind, und eine Vernichtung der Bauern daher auch zu einer Zerstörung der Nationalidentität führen würde. Es war also nicht nur das Ziel eine Klasse auszulöschen (was nicht heissen soll, dass dies irgendetwas besser gemacht hätte).
So, zynisch und menschenverachtend ist es also Ihrer Meinung nach, wenn ich die Behauptung, dass Stalin die Ukrainer ausrotten wollte, anzweifele und versuche hier Tatsachen nachzugehen.
Gibt es interne Dokumente die belegen, dass diese Hungersnot bewusst hervorgerufen wurde, um die ukrainischen Bauern umzubringen?? Das Stalin den ukrainischen Gebieten gegenüber eine andere Politik verfolgte, als den kasachischen oder westsibirischen? Hauptargument in der ukrainonationalistischen Argumentation ist immer noch der ausschließlich Ausreiseverbot für ukrainische Bauern. Dieses soll es angeblich in Kasachstan und in Südrussland nicht gegeben haben. Es wäre für mich ein gewichtiges Argument für die besondere Politik gegenüber den ukrainischen Gebieten. Gesehen habe ich noch keine Dokumente. Vielleicht hilft ja jemand der Mitlesenden aus.
Stefko, ich versuche im Gegensatz zu Ihnen nicht "mein Denken" auf die damaligen Machthaber zu übertragen. Das waren Bürokraten, die ihren Plan erfüllen wollten und das koste es was es wolle. Denen war es egal, wie viele Menschen umkommen und dabei auch, ob es Russen oder Ukrainer oder Kasachen sind.
stefko hat geschrieben:
Auch das zwangsweise Umsiedeln ganzer Völker unter in Kaufnahme größter Opferzahlen war Teil der Politik Stalins. Ich denke da nur an die Krimtataren - auch das war ein Genozid.
Umsiedeln ist etwas anderes als ermorden! Genozid = Ermorden aufgrund der Herkunft!
stefko hat geschrieben:
Haben Sie vielleicht ein Problem damit, dass Sie Deutscher sind und immer ein Deutscher bleiben werden, egal wie sehr Sie sich bemühen nicht deutsch zu sein?
jaja ...